6. Handlungsempfehlungen für ein effektives Omni-Channel-Retailing

Die Analyse der Umsetzbarkeit des Omni-Channel-Retailings in der Lebensmittelbranche hat ergeben, dass auch der Einzelhandel zunehmend auf das veränderte Konsumentenverhalten reagiert indem die einzelnen Vertriebskanäle Stück für Stück miteinander verknüpft werden. So lassen sich auch die Produktpräferenzen für den Online Handel und den stationären Handel nicht mehr klar voneinander trennen, sodass bspw. Lebensmittel, die noch vor einiger Zeit ausschließlich stationär gekauft wurden, zunehmend im Internet gekauft werden. Warengruppen, die hingegen beim Online-Kauf sehr stark sind, verlieren an Umsatzwachstum. Somit zeichnet sich für die Foodbranche ein großes Potenzial für die Realisierung des Omni-Channel-Retailings ab.
Die gegenwärtige Ausgangssituation der Lebensmittelhändler bringt bereits Ansätze zur Realisierung des Omni-Channel-Retailings hervor, jedoch bestehen an dieser Stelle auch noch deutliche Optimierungspotenziale. Da Produkte bereits auf mehreren Kanälen angeboten und einzelne Kanäle zum Teil auch miteinander vernetzt werden, entspricht der aktuelle Status dem Multi-Channel-Retailing mit Übergang zum Cross-Channel-Retailing.

Vor dem Hintergrund des kanalübergreifenden Einkaufs fällt auf, dass hier besonders im mobilen Bereich ein Verbesserungsbedarf vorhanden ist. Insbesondere aufgrund der intensiven Smartphone-Nutzung der Konsumenten und des steigenden mobilen Traffics auf Websites ist es sinnvoll, die Internetpräsenz bzw. den Onlineshop des jeweiligen Händlers mit einem responsiven Design auszustatten, das die Benutzerfreundlichkeit für mobile Website-Besuche verbessert und das Shopping mit dem Smartphone erleichtert. Sofern der Händler auch eine App für mobile Endgeräte anbietet, sollte auch hierüber ein Einkauf ermöglicht werden.
Auch Click & Collect wird als Kanalwechselmöglichkeit immer häufiger von Händlern in der Lebensmittelbranche angeboten. Die bequeme Online-Bestellung in Kombination mit der selbstständigen Abholung und der sofortigen Nutzbarkeit der Produkte ist besonders beim Lebensmitteleinkauf vorteilhaft. Insofern sollte dieser Service von den Einzelhändlern der Food-Branche weiter ausgebaut werden. Die schnelle Auftragsabwicklung beim Click & Collect Service ist aufgrund der Aufrechterhaltung der Frische der Lebensmittel und zur Erfüllung der Kundenwünsche sehr wichtig. Somit sollte das Konzept vom klassischen Lebensmitteleinzelhandel zunächst in den Gebieten vorangetrieben werden, wo eine hohe Filialdichte herrscht und eine geringe Entfernung zum jeweiligen Lager besteht. So kann je nach Bestellungsaufkommen entschieden werden ob diese in der Filiale oder im Lager zusammengestellt werden. In diesem Fall können auch eventuelle Kosten für die Lieferung der Bestellung vom Lager zum Abholort gering gehalten werden. Für ein flächendeckendes Angebot solch eines Services sind jedoch Investitionen in den Ausbau der Logistik notwendig, sodass eine Umsetzung in kurzer Zeit nicht möglich ist.

Unternehmen, die hingegen mit einer kleinen Anzahl an stationären Standorten vertreten und somit vorrangig regional aktiv sind, sollten das Modell Click & Collect auf lokaler Ebene anbieten. Da bei einer lokalen Aktivität des Händlers tendenziell ein geringerer Koordinationsaufwand herrscht, kann dies mit vorhandenen Kapazitäten bestritten werden. Generell sollte dem Kunden bei Inanspruchnahme des Modells ermöglicht werden, den Zustand der bestellten Ware zu kontrollieren und diese bei Nichtgefallen zurückzugeben. Auf diese Weise kann bei Verbrauchern Vertrauen hinsichtlich der Produktqualität aufgebaut werden, sodass der Service auch wiederholt genutzt wird.
Die Präsenz im Online-Kanal spielt im Omni-Channel-Retailing eine besondere Rolle, da das Unternehmen hier rund um die Uhr für den Konsumenten erreichbar ist. Der Ausbau der Online-Präsenz sowie der Vertrieb von Produkten über den Internet-Kanal kann auch durch eine Zusammenarbeit mit Amazon und/oder eBay realisiert werden. Diese Möglichkeit empfiehlt sich besonders für kleine und bisher weniger bekannte Händler und Unternehmen. Auf beiden Portalen wird die Infrastruktur eines Online-Shops bereitgestellt und die Nutzung von Verkaufs- und Marketingtools sowie der Bewertungsfunktionen ist mit inbegriffen. Aufgrund der Wahlfreiheit zwischen unterschiedlichen Leistungspaketen besteht kein großes Risiko und sowohl Amazon als auch eBay zeichnen sich auch durch umfangreiche Angebote für mobile Endgeräte aus.
Die Umsetzung des QR-Code-Shoppings mittels virtueller Stores ermöglicht die Verbindung zwischen der Online- und Offline-Welt und empfiehlt sich in erster Linie für klassische Lebensmitteleinzelhändler. Insbesondere, weil Lebensmittel von jedem Konsumenten benötigt werden, können diese in solch einer Angebotsform sehr gut verkauft werden. Da Lebensmitteleinzelhändler wie Edeka oder REWE zum Teil schon öffentliche Werbeflächen nutzen, können diese zur „Eröffnung“ virtueller QR-Code-Stores verwendet werden. Außerdem besitzen viele Apps der Händler bereits einen QR-Code-Scanner, mit dem der Einkauf möglich gemacht wird. Jedoch müssen auch die Konsumenten von dieser Verkaufsmethode überzeugt werden, da virtuelle QR-Code-Shops in Deutschland noch nicht etabliert wurden. Somit empfiehlt es sich, die Shops zunächst an einzelnen Orten zu testen.

Die Eröffnung von Flagship-Stores als stationäre Präsenz im Rahmen des Omni-Channel-Retailings ist in erster Linie für den klassischen Lebensmitteleinzelhandel ratsam, da dies mit den vorhandenen Mitteln am ehesten realisierbar ist. Da hier eine sehr hohe Filialdichte herrscht, können einige zu Flagship-Stores umgestaltet werden. Die Umsetzung dieses Konzeptes durch Händler, die vorher ausschließlich online aktiv waren, gestaltet sich als sehr risikoreich, da durch die hohe stationäre Filialdichte der klassischen Lebensmitteleinzelhändler eine sehr große Konkurrenz vorhanden ist.
Eine stationäre Präsenz sollte im Rahmen des Omni-Channel-Retailings auch für pure Online-Händler realisiert werden. Auf diese Weise können Konsumenten den Händler auch in der Offline-Welt antreffen und persönlich damit in Kontakt treten. Somit empfiehlt sich die Eröffnung von Pop-Up-Stores besonders für Händler, die ausschließlich online aktiv sind. Die zeitlich begrenzte Existenz des Shops ermöglicht es den stationären Kanal auszutesten. Für die Realisierung dieses Konzepts sind relativ geringe Investitionen notwendig, da Kosten für Miete und Inventar der Location nur temporär anfallen. Dadurch dass nur ein Auszug der Produktpalette angeboten werden kann, ist es wichtig dafür zu sorgen, dass die Konsumenten online auf das gesamte Sortiment zugreifen können. Um Aufmerksamkeit für die Eröffnung der Shops zu erzeugen, kann insbesondere der Social Media Kanal genutzt werden.

Der Erwerb von Produkten und Dienstleistungen über jeden Kanal beinhaltet auch die Zusammenstellung des Sortiments. Da der Verbraucher, im Sinne des Omni-Channel-Retailings, in jedem Kanal Zugriff auf das gesamte Sortiment haben sollte, ist es für Retailer ratsam auf allen Kanälen ein Kernsortiment anzubieten. Dies kann bspw. im konventionellen Lebensmitteleinzelhandel digital erweitert werden.
Die Zustellung der erworbenen Produkte vor dem Hintergrund des Omni-Channel-Retailings ist ebenfalls Teil des kanalübergreifenden Einkaufs und stellt eine große Herausforderung für Händler und Unternehmen dar. Die schnelle und kostengünstige Lieferung in Form von Same-Day-Delivery kann zu geringen Kosten zunächst nur dort realisiert werden, wo eine hohe Filial- oder Lagerdichte herrscht. Zum Ausbau dieses Konzepts ist der Aufbau von weiteren Lagern nötig, was hohe Investitionen in die Logistik mit sich bringt. Der Service Same-Day-Delivery kann auch in Zusammenarbeit mit Kurierdiensten wie z. B. Tiramizoo realisiert werden. Auch der Aufbau von Abholstationen sollte zunächst nur an einzelnen Standorten erfolgen, die sich in geringer Entfernung zum entsprechenden Lager des Unternehmens befinden, da nur auf diese Weise die Kosten für den Konsumenten gering gehalten werden können.

Das Lieferkonzept der Lockbox bietet gute Ansätze der schnellen und kostengünstigen Lieferung, jedoch ist dieser Service bisher nur in wenigen Städten verfügbar.
Das Kriterium der Kundenkommunikation und –information über jeden Kanal vor dem Hintergrund des Omni-Channel-Retailings kann von der Lebensmittelbranche bereits weitestgehend erfüllt werden. Dennoch gibt es einzelne Möglichkeiten dies noch zu intensivieren: Um den Kunden schon in der Informationsphase zu begleiten, sollten Händler in jedem Fall Präsenz auf Bewertungsportalen zeigen. Da das Lesen von Beurteilungen eine häufig genutzte Informationsquelle für Verbraucher darstellt und auch das Vertrauen beim Einkauf erhöhen kann, sollte diese Maßnahme genutzt werden. Als Bewertungstools können hier auch die Funktionen von Google und Facebook genutzt werden, da die meisten Unternehmen diese Dienste ohnehin in Anspruch nehmen. Weiterhin empfiehlt es sich unabhängige Bewertungsportale zu verwenden, da diese ein professionelles Bewertungsmanagement anbieten und durch positive Bewertungen die Reputation des Unternehmens verbessert werden kann.

Damit der Konsument bereits bei der Recherche mittels Suchmaschinen abgeholt wird, sollten Händler und Unternehmen auch hier in Erscheinung treten. Für kleine und bisher weniger bekannte Händler lohnt sich die Suchmaschinenoptimierung, da durch diese auf nachhaltige Art und Weise eine gute Auffindbarkeit in Suchmaschinen gewährleistet wird. Für bereits bekannte Händler ist das Schalten von Google AdWords lohnenswert, da diese sofort auf der ersten Seite bei Google erscheinen und die Online-Präsenz des Händlers noch weiter hervorheben können.
Bezüglich der Kundenbetreuung kann die Videoberatung durch Verkäufer im Geschäft den stationären Kanal sehr gut mit dem Online-Kanal verbinden. Jedoch empfiehlt sich diese Möglichkeit weniger für den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel als für Anbieter von Nischenprodukten, da hier beim Kauf der Waren meist ein höherer Bedarf an Beratung besteht.

In Anbetracht der Kaufvorbereitung ermöglicht die Bereitstellung eines W-LAN-Netzes im stationären Geschäft einen verbesserten Zugang zu Informationen. Durch diese Maßnahme können Kunden die Kanäle noch besser parallel nutzen und bspw. auf das digital erweiterte Sortiment des Händlers zugreifen. Obwohl es von keinem der betrachteten Händler bekannt ist, dass ein frei nutzbares W-LAN Netz angeboten wird, ist dies mit gegebenen Mitteln umsetzbar.
Da insbesondere das Smartphone der Konsumenten sehr gut für die Kundenansprache genutzt werden kann, empfiehlt sich an dieser Stelle die Technik des Geofencing. Dies ermöglicht die Ansprache der Verbraucher, die sich direkt im Umfeld des stationären Geschäfts des Händlers befinden. Eine Umsetzung ist bspw. mit der App Shopkick möglich, die die Technologie mit Bonusaktionen verbindet. Gleichzeitig wird es durch diese Methode ermöglicht Daten des Konsumenten zu sammeln, die die Erstellung von Bewegungsprofilen erlauben.

Die Verfügbarkeit aller Daten in jedem Kanal ist essentiell um das Omni-Channel-Retailing zielführend zu realisieren, da nur auf diese Weise eine parallele Kanalnutzung und ein Kanalwechsel ermöglicht wird. Die Herausforderung an dieser Stelle ist zum einen die Verfügbarkeit der Kundendaten auf der stationären Ebene und zum andern die zentrale Bereitstellung der Produkt- und Kundendaten in jedem Kanal.
Neben der Technologie Geofencing können Kundendaten im stationären Kanal auch durch NFC (Near Field Communication) erfasst werden. Da die Technik die Übertragung von Daten zwischen dem Smartphone und speziellen NFC-Chips erlaubt, empfiehlt es sich, diese Technologie in Zusammenhang mit mobilen Bezahlsystemen und Bonusaktionen über das Smartphone zu nutzen. Da jedoch die Konsumenten erst von der Nutzung dieses Services überzeugt werden müssen, ist eine vollständige Erfassung der Daten aller Kunden höchstwahrscheinlich nicht möglich.
Für die zentrale Bereitstellung von Produkt- und Kundendaten in jedem Kanal empfiehlt sich ein zentraler Online-Speicher, der mit dem entsprechenden CRM- sowie dem Warenwirtschaftssystem vernetzt ist. Weiterhin ist eine automatische Aktualisierung der Daten erforderlich, sodass die Unternehmensabläufe in Echtzeit dargestellt werden können. Da diese Methode mithilfe eines IT-Partners realisiert werden muss und ggf. der Einführung eines neuen Software-Paketes bedarf, sind hier seitens des Unternehmens Investitionen in die IT-Struktur notwendig.
Abschließend ist festzustellen, dass der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel mit seinem ausgedehnten Filialnetz in ganz Deutschland, die besten Voraussetzungen bietet um das Omni-Channel-Retailing zu realisieren. Die größten Herausforderungen liegen dennoch in den Bereichen Logistik und IT. Die schnelle und kostengünstige Zustellung von Produkten in Kombination mit flexiblen Lieferkonzepten ist mit den derzeit vorhandenen Mitteln nicht in kürzester Zeit absehbar. Ebenso sind auch für die kanalübergreifende Bereitstellung sämtlicher Daten Investitionen nötig, sodass ein problemloser Kanalwechsel gewährleistet werden kann. Diese Investitionen sind vermutlich für bekannte, konventionelle Lebensmitteleinzelhändler, aufgrund der Unternehmensgröße und der breiten Präsenz, einfacher zu realisieren als für kleinere Händler, die bspw. nur lokal oder in einem Kanal aktiv sind.