2.4 Konsumentenentscheidungen vs. Zielgruppenansprache im stationären und im Online Handel

Der folgende Abschnitt soll die Seite des Konsumenten bei seiner Kaufentscheidung und die Seite des Unternehmens bei der Zielgruppenansprache näher beleuchten.
Unabhängig vom Einkaufskanal läuft der Prozess bis zum Kauf eines Produkts oder einer Dienstleistung immer nach einem ähnlichen Muster ab und wird durch unterschiedliche Dinge beeinflusst: Am Anfang steht, laut Wöhe, das Kaufinteresse des Kunden, indem er ein Bedürfnis äußert, welches er erfüllen möchte. Den nächsten Schritt bildet die Informationsbeschaffung über Anbieter und das Angebot. Hat der Kunde eine Vorauswahl getroffen, bewertet und vergleicht er diese miteinander.

Die abschließende Auswahl des Produkts und der Kauf bilden das Ende des Kaufentscheidungsprozesses. Wöhe merkt zusätzlich an, dass der Ablauf dieser Entscheidung nie ganz genau darstellbar ist, weil er im Inneren des Verbrauchers abläuft und von Faktoren wie Alter, sozialem Status und der Marketing-Maßnahmen der Unternehmen beeinflusst wird.
Heinemann erwähnt, dass insbesondere im stationären Handel die Kaufentscheidung ursprünglich fast ausschließlich durch den Händler gesteuert wurde, da er dem Konsumenten bei der Suche und Auswahl des Produktes half. Im Gegensatz zu heute, standen dem potenziellen Kunden nur die Beratung des Verkäufers, die Produktinformationen im Geschäft und ggf. Empfehlungen von Freunden oder Bekannten als Informationsquellen bezüglich der Produkte zur Verfügung.

Mit der Entwicklung des Internets und der mobilen Endgeräte wird dem Verbraucher ein zusätzlicher Einkaufs-, Informations- und Kommunikationskanal geboten, der den Kaufentscheidungsprozess massiv beeinflusst und verändert. Diese Veränderung wird von Heinemann beschrieben und ist in der Abbildung  dargestellt: Während im Zuge des klassischen Entscheidungsprozesses zuerst ein Anbieter und dann das zu kaufende Produkte ausgewählt wurde, sucht der Interessent als erstes nach Waren, die geeignet sind, seine Bedürfnisse zu erfüllen. Derweil holt der Konsument z. B. unter der Verwendung von Suchmaschinen Informationen dazu ein. Die Vorauswahl der Güter wird bspw. mithilfe von Testberichten verglichen und bewertet. Nach der Auswahl eines Produkts werden häufig die entsprechenden Preise der verschiedenen Anbieter verglichen bevor sich der Kunde für einen stationären oder Online-Anbieter entscheidet. Anschließend erfolgt dann der Produktkauf. In Bezug auf den Verlauf des Kaufentscheidungsprozesses ist also erkennbar, dass die Entscheidung für das zu kaufende Produkt nicht mehr zwingend am POS fällt, sondern bereits bei der Informationsbeschaffung.
In diesem Kontext spielen auch der ROPO- (Research Online, Purchase Offline) und Showrooming-Effekt eine große Rolle, die in Kapitel 3.1 näher erläutert werden.
Bezüglich des Informationsverhaltens der Verbraucher bemerkt Wöhe, dass Konsumenten häufig auch Impulskäufe vornehmen, die ohne eine vorherige Informationsphase und emotional gesteuert verlaufen. Dies ist nach einer Studie von Interone GmbH besonders häufig bei Lebensmitteln und Kleidung der Fall und wird in Kapitel 3 näher erläutert.

Hinsichtlich der Zielgruppenansprache muss zunächst klar sein, welche Zielgruppen vorwiegend den Online Handel oder den stationären Handel nutzen. In Anbetracht der zunehmenden Verknüpfung der Kanäle kann hier keine eindeutige Trennung vorgenommen werden. Die Studie „Der Kunde der Zukunft – Einkaufen heute und morgen“ identifiziert sechs Zielgruppen hinsichtlich der Wahl des Absatzkanals: Digital Natives, Digital Professionals, Digital Functionals, Digital Best Ager, Digital Silver Surfer und Non Digitals. Bei der Betrachtung dieser Gruppen fällt auf, dass insbesondere die Digital Professionals und die Digital Functionals vorwiegend Multi-Channel-Leistungen nutzen – jeweils über 60 %. Beide Personengruppen verfügen über ein hohes Bildungsniveau und ein Einkommen von über 2500 €, was darauf schließen lässt, dass sie aufgrund ihres Berufes zeitlich stark eingeschränkt sind. Dementsprechend passen sie ihr Einkaufsverhalten an und nutzen das Internet neben dem stationären Handel sehr stark. Die Digital Best Ager (50-60 Jahre) und die Digital Silver Surfer (über 60 Jahre) kaufen mit 57 % und 64 % überwiegend im stationären Einzelhandel ein – jeweils ein Drittel nutzt aber auch Multi-Channel-Leistungen. Dieses Verhalten ist damit zu erklären, dass einerseits der stationäre Handel Vertrauen vermittelt und andererseits die Nutzung technischer Angebote wie das Online-Shopping erst schrittweise erfolgt. Interessant ist die Betrachtung der Digital Natives: Obwohl man hier von einer starken Nutzung des Online-Kanals ausgehen würde, nutzen 54 % immer noch den stationären Handel. Dies lässt sich dadurch erklären, dass sie das Einkaufserlebnis als Zeitvertreib sehen. Die letztgenannte Zielgruppe der Non-Digitals nutzt den Online-Einkauf sehr selten und verfügt über eine recht geringe Kaufkraft. Bei der geschlossenen Betrachtung der Zielgruppen fällt auf, dass neben der Altersgruppe der 20-50-jährigen auch zunehmend ältere Personen das Internet als Ergänzung zum stationären Handel nutzen.

Diese Ergebnisse können in Bezug auf die Zielgruppenansprache im Onlineshop mit den Ausführungen von Kollmann aus dem Jahr 2007 verbunden werden: Dieser erwähnt, dass für den Konsumenten eine hohe Benutzerfreundlichkeit, in Form einer einfachen Menüführung, einer schnellen Ladezeit und einer hochwertigen Produktpräsentation gegeben sein sollte. Zusätzlich ist es ratsam dem Konsumenten unterschiedliche Kommunikationsmöglichkeiten und umfangreiche Informationen zur Verfügung gestellt werden, um eventuelle Sicherheitsvorbehalte zu reduzieren. Weiterhin merken Lingenfelder und Loevenich an, dass auch die hohe Preistransparenz, die große Angebotsvielfalt und die Ungebundenheit an Öffnungszeiten weitere Gründe für das Internet als Einkaufskanal sind. Um die jeweilige Zielgruppe auch nachhaltig zu erreichen, ist es wichtig Einkaufserlebnisse zu schaffen. Durch Augmented Reality können Produkte beispielsweise in virtuellen Geschäften mit dem Smartphone gekauft und auch der persönliche Kontakt zu Verkäufern kann bspw. durch Videoberatungen realisiert werden. Im Allgemeinen wird die Zielgruppenansprache im Online-Handel im Gegensatz zum stationären Einzelhandel erleichtert, da durch die Sammlung und Auswertung von Kundendaten einerseits Angebote und Werbemaßnahmen direkt auf den Kunden zugeschnitten werden können und andererseits Produktpräferenzen sichtbar werden. Dies erleichtert die Zusammenstellung des Produkt- und Dienstleistungssortiments und die Vorbereitung von Marketingmaßnahmen. Diese differenzierte Zielgruppenansprache ist im stationären Handel nur schwer durchsetzbar, jedoch kann durch persönliche Beratung durch das Verkaufspersonal individuell auf den Kunden eingegangen werden, wodurch der Kauf des jeweiligen Produkts wahrscheinlicher wird97. Hingegen nimmt die Sammlung von Kundendaten auch im stationären Geschäft durch verschiedene Kundenkarten oder Bonusprogramme wie Payback oder Deutschlandcard zu.

Durch die Entwicklung des mobilen Internets ist es auch für stationäre Händler möglich potenzielle Kunden außerhalb des Geschäfts anzusprechen – bspw. durch den Einsatz von QR-Codes. Auch die Sammlung von Daten wird durch die Erstellung von Bewegungsprofilen anhand von Smartphones vereinfacht.